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Release Tipp: „Traumwelten“ Yannis Kyriakides – Hypnokaséta / Unsounds

Das Umsetzen von Träumen in Literatur oder Musik hat eine lange Tradition. Bruce Chatwin war auf Traumpfaden in Australien unterwegs, für Aphex Twin war es der Weg in seine bahnbrechende Musik und vergessen wir nicht Sigmund Freud und viele andere. Yannis Kyriakides hat aus seinen Träumen Musik für ein Streichquartett und Elektronik geschrieben und diese entstandene Musik ist schlicht der Wahnsinn!


Hypnokaséta (2020-2021) ist eine fortlaufende Serie von 16 Stücken für Streichquartett, Improvisatoren (die Kassetten und beliebige Instrumente spielen) und Live-Elektronik. Das Ausgangsmaterial basiert auf Träumen, die ich während der ersten Monate des Lockdowns (April-Juni 2020) hatte. Die Berichte über diese Träume sind in der vom Quartett gespielten Musik verschlüsselt und auch in den sie umgebenden Klangtexturen.


Yannis Kyriakides


Die Stücke wechseln zwischen dem Quartett im Vordergrund und elektronischen Zwischenspielen, bei denen Soli oder Duos die Klanglandschaft untermalen. Der Titel des Stücks (griechisch für ‚Schlafkassette‘) bezieht sich auf eine von Daniel Dennett vorgeschlagene Traumtheorie, die besagt, dass Träume während der Nacht wie eine Kassette ins Bewusstsein geladen und kurz vor dem Aufwachen abgespielt werden. Das Stück wurde unter dem Namen „Cassettes“ vom Quatuor Bozzini und Andy Moor im Oktober 2022 in Montreal und anderen Orten in Quebec uraufgeführt. Anschließend wurde es im November 2022 von Micha de Kanter im Studio Helmbrekers in Haarlem aufgenommen.




Es gibt hier einige interessante Parallelen zu anderen Werken, an denen ein Streichquartett und elektronische Musik beteiligt sind. Auf BBC Radio 3 und der Sendereihe „New Music Show“ wurde im April ein Stück von Scott Wilson vorgestellt, das im Rahmen eines Konzertes „CrossCurrents: The Ligeti Quartet – The Memory Project“ aufgeführt wurde. Beteiligt ist das Project BEAST (Birmingham ElectroAcoustic Sound Theatre). In dieser Sendung wurden 2 Stücke aus diesem Konzert vorgestellt, das von Scott Wilson und eines von Sara Caneva. Beide kann ich uneingeschränkt empfehlen. Genauso wie ich allen Interessierten die Reihe „New Music Show“ nur wärmstens empfehlen kann!
Ich finde diese Idee, Werke für Streichquartett und elektronische Musik zu schreiben, für sehr reizvoll. Zu einem wird ein junges Publikum durch die elektronische Musik an die Musikwelt der Streichquartette herangeführt und das klassische Publikum wiederrum in die andere Richtung. Eine Öffnung, die für alle ein Gewinn sein kann.
Ich jedenfalls halte die Umsetzung der Komposition von Yannis Kyriakides für sehr gelungen. Das Traumartige ist nicht wohlfühlend oder wohlig, nein. Einwürfe durch die Tapes von Kyriakides und der Gitarre von Andy Moor, lassen das nicht zu. Die Gegenwart lässt das nicht zu und so klingt diese Musik. Die schönen Momente sind da, kurz und gerade so, dass wir sie nicht vergessen. Das ganze hinterlässt einen starken und lang nachwirkenden Eindruck und das ist für mich Musik, auf der Höhe unserer Zeit. Ein Favorit für die besten des Jahres!

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