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Release Date: 1.9.2023: Musik von Natasha Barrett, Lisa Lerkenfeldt und Poor Isa.

Radikale Musik in ihrer ganzen Vielfalt erwartet Euch. Die neueste Musik von Natasha Barrett soll eine „Neugestaltung der Landschaft“ sein und Lisa Lerkenfeldt erforscht die Klangwelt unter einer Autobahnbrücke. Ganz andere akustische Wege geht das Duo Poor Isa.


Natasha Barrett – Reconfiguring the Landscape / Persistence of Sound

Persistence of Sound präsentiert ein neues Album von einer der weltweit führenden Stimmen der elektroakustischen Musik.

Während ihres Studiums bei Jonty Harrison an der University of Birmingham arbeitete Barrett mit BEAST (Birmingham ElectroAcoustic Sound Theatre) zusammen, was zu einem Doktoratsstudium der Komposition unter der Leitung des Komponisten Denis Smalley führte.



Seitdem hat sich Barrett einen internationalen Ruf als Komponistin von 3D-Audio und Ambisonics erworben. Sie behandelt die Verräumlichung als musikalischen Parameter und sagte der New York Times: „Mir geht es wirklich um die Idee der Greifbarkeit. Klang ist unsichtbar, aber wir können Dinge tun, die den Wunsch wecken, ihn zu berühren.


Natasha Barrett / Foto: Carsten Aniksdal

Barrett beschreibt, dass ihre Inspiration aus der unmittelbar klingenden Materie der Welt um uns herum kommt, sowie aus der Art und Weise, wie sie sich verhält.
Barretts Werke werden auf der ganzen Welt aufgeführt und in Auftrag gegeben und haben eine lange Liste von Preisen erhalten, darunter den Giga-Hertz Award und die Bourges International Electroacoustic Music Awards.
Persistence of Sound wurde vom Komponisten/Produzenten Iain Chambers gegründet. Seine Veröffentlichungen umfassen elektroakustische Musik, Field Recordings und die nicht klassifizierbare Musik zwischen diesen Genres.

Natasha Barrett über „Reconfiguring the Landscape“ (2019-2022)

…. war ein künstlerisches Forschungsprojekt, das untersuchte, wie elektroakustische 3-D-Kompositionen und Klangkunst ein neues Bewusstsein für unsere klangliche Umgebung im Freien hervorrufen und provozieren können.

Die Integration von Kunst und Technologie stand im Mittelpunkt der Untersuchung, die sich auf Klang, Raum, Zeit und den Nutzen von Außenbereichen konzentrierte. Die Ideen wurden in künstlerischen Kreationen getestet, und während eines Zeitraums von drei Jahren schuf Natasha Barrett eine Reihe von ortsspezifischen Klanginstallationen im Freien. Diese Werke wurden im öffentlichen Raum für eine Dauer von einigen Tagen bis zu einigen Monaten installiert.


Die Tracks auf dieser CD sind Remixe von drei Installationen und einem zweiteiligen Werk, das sich zwischen Installation und Konzertformat bewegt. Sie wurden aus den Materialien der Installationen und unveränderten ortsspezifischen Aufnahmen komponiert und sollen die persönliche Hörerfahrung des “ Vor-Ort-Seins “ einfangen. © Text: Label



Lisa Lerkenfeldt – Shell Of A City / Room40

Lisa Lerkenfeldts Arbeit ist ein Ort der Stille, der Geduld und der klugen Reflexion. Im letzten halben Jahrzehnt hat sie sich einen einzigartigen Platz geschaffen, indem sie der Klangfarbe, der Harmonie und dem Geräusch gleichermaßen Aufmerksamkeit schenkt. Diese gemäßigte und reflexive Methodik hat ihren Werken ein gewisses Maß an Schwere und Gewicht verliehen. Jedes Stück, das sie erschafft, birgt ein besonderes Zeitgefühl und lädt den Hörer ein, sich immer tiefer in ihr Werk hineinzuversetzen. Shell Of A City führt diesen Ansatz noch weiter. Die Dauer spielt eine entscheidende Rolle, nicht nur bei der Entfaltung des Stücks, sondern auch bei seiner Entstehung selbst. Lerkenfeldts Bereitschaft, dem Klang die Führung zu überlassen, ist von größter Bedeutung, und es ist diese Eigenschaft, die dieser Ausgabe eine so zutiefst persönliche Note verleiht. © Text: Label


Lisa Lerkenfeldt

Shell Of A City wurde in Naarm/Melbourne aufgenommen und macht die Architektur in einer concrète-Prozession zu einem Instrument.

Dauerhafte Kontaktaufnahmen des Unterbaus einer Autobahn offenbaren eine unerhörte Resonanz.

Das kontinuierliche physikalische Phänomen wird sanft bearbeitet, um die Grenzen der elektroakustischen Praxis mit einer kontemplativen Dringlichkeit zu erkunden.

Das 40-minütige Arrangement verbindet zwei Kanäle mit ortsbezogener Improvisation zu einer zeitverändernden Minimalstruktur.

Viele Leute schrieben mir, dass A Liquor Of Daisies ein Werkzeug sei, das sie zur Erholung nutzen. Wie wertvoll. Shell Of A City folgt seinem Weg.

Ich schaffe mir Raum, um dem Unauffälligen und weniger Beachteten zuzuhören. © Lisa Lerkenfeldt




Poor Isa – dissolution of the other / Aspen Edities

Poor Isa ist das Duo von Ruben Machtelinckx und Frederik Leroux. Zwei befreundete Gitarristen, die sich in der Improvisation und Klangforschung gefunden haben. Sie schlossen sich erstmals in dem Projekt Linus + Skarbø/Leroux im Jahr 2015.
2017 erschien das Split-Album when the shade is stretched (Aspen 003), das ein Gespräch zwischen zwei Solo-Banjo-Performances darstellt. Im Jahr 2019 schließlich veröffentlichte Poor Isa ihr erstes Album let’s drink the sea and dance (Aspen 007). In diesem Projekt wird Leroux‘ und Machtelinckx‘ Interesse an Banjos und Holzblöcken erkundet.
Im Laufe der Jahre hat Frederik Leroux ein surreales Universum geschaffen, in dem seine Musik gedeiht. Im Jahr 2012 veröffentlichte das Trio Leroux/Landfermann/Burgwinkel sein erstes Album. Ein Jahr später machte Leroux ein erstaunliches Solo Album namens Banjo (Sill Anders). Es folgte eine zweite Soloaufnahme bei Aspen Edities. Seitdem veröffentlichte er ein Duo-Projekt mit Kris Vanderstraeten und ein Trio mit Frans Van Isacker, der sich Leroux und Vanderstraeten auf dem Label.


Poor Isa: Frederik Leroux & Ruben Machtelinckx

Banjo und Woodblocks sind die knappen Zutaten von Poor Isas zweitem Album, dissolution of the other. Die Instrumente werden nicht in ihrer üblichen Form verwendet, sondern auch in alternativen Stimmungen, mit Präparationen und
zusätzlichen Attributen. So entsteht ein jenseitiges Vakuum, reich an Stille und Schatten, mit Klängen, die ebenso vertraut wie mystisch erscheinen. Die Musik wird aus ihrer klassischen Form herausgelöst und klingt wie eine instrumentale Feldaufnahme oder eine musikalische Zeremonie.
Im Gegensatz zum ersten Album, das aus neun kurzen, spielerischen Kompositionen und Improvisationen besteht, hat sich das Duo nun für zwei komponierte, lange Werke entschieden. Beide sind die Ausarbeitung von Einschränkungen und einer begrenzten Anzahl von musikalischen Ideen. Figures“ erinnert mit seiner modalen Harmonik und dem freien Tempo an alte Musik. Es ist ein Stück, das dahinplätschert und in dem sich Klänge vermischen, während sich beide Spieler wie in einem Spiegel gegenüberstehen. Drifter“ konzentriert sich auf die rhythmische Entwicklung mit einer ABAB-Struktur. Während der A-Teil eine triefende Unvorhersehbarkeit aufweist, hat der B-Teil einen kontinuierlichen, pulsierenden Klang. So klingt das Ganze wie ein eindringliches Ritual. © Text: Label




Das Hörbarmachen, die akustische Erforschung unserer unmittelbaren und mittelbaren Umwelt, gab es schon vor der Pandemie. Aber die Pandemie hat dieser Field-Recording-Bewegung einen großen Schub gegeben. Die verrücktesten Dinge wurden aufgenommen, zum Beispiel das Kochen in der Küche, und irgendwann wurde es mir zu viel. Natasha Barrett war schon vor der Pandemie im Fieldrecording unterwegs. Im Laufe ihrer Karriere hat sich Natasha Barrett von Norwegens „vielversprechendster Komponistin elektroakustischer Musik“ zu einer der „führenden Komponistinnen im Bereich 3D-Audio“ entwickelt, wie die New York Times schrieb. Diese Entwicklung ist das Ergebnis harter Arbeit und eines stetigen Stroms von Veröffentlichungen. Vor allem mit ihren Installationen hat sich Natasha Barrett einen hervorragenden Ruf erworben. Wer in ihre Klangwelten eintauchen will, braucht Kopfhörer! So hören wir hier die Remixe ihrer Installationen, die auch ohne visuelle Komponente sehr gut bestehen können. Es ist mir immer ein großes Vergnügen, mich in ihren Klangwelten zu verlieren und was gäbe ich dafür, mit ihren Ohren zu hören!
Ganz anders dagegen die Musik von Lisa Lerkenfeldt. Sie findet nach innen gerichtete Klangwelten an einem überraschenden Ort, indem sie den Unterbau einer Autobahn berührt. „Shell of a City“ ist minimalistisch, aber das verstärkt nur die innere Wirkung, weil die Klänge sich ausbreiten und entfalten können. Subtilität klingt laut. Intensität erzeugt einen leisen Sturm und unser nachdenklicher Geist leuchtet heller. Tiefe, sich verändernde Resonanzen, die sich wie ein langsamer Atem bewegen, ziehen uns in einen Raum unterirdischer Stille. Eine wunderbare Entdeckung.
Das Duo Poor Isa, bestehend aus Ruben Machtelinckx und Frederik Leroux, ist eine besondere Verbindung und eine Musik, die noch schwerer zu fassen ist. Am Anfang konnte ich kaum 5 Minuten zuhören und jetzt, während ich schreibe, läuft ihre Musik 2 Mal komplett durch. Ich will damit sagen, dass ihre Musik definitiv viel Zeit und Offenheit braucht. Ich habe selten so sperrige und eigenständige Musik gehört.

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