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Studio Neue Musik: Folklore imaginär 1

Von Thomas Meyer. Lange war Volksmusik in den Zirkeln Neuer Musik ein Tabu–und wenn, dann orientierte sich die europäische Avantgarde lieber an Außereuropäischem als an der eigenen Tradition. 

Allein das Wort war verpönt, weil zu sehr mit Nationalismus verknüpft. Das Erbe Béla Bartóks lag brach und blieb den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang vorbehalten.

Allmählich erst kam es zu einem Umdenken. Mittlerweile gibt es durchaus gelungene Beispiele, Volksmusikalisches aufzugreifen, umzuarbeiten, weiterzudenken, ja neu zu imaginieren. Verschiedene Klavierstücke Béla Bartóks stellt Teodoro Anzellotti nun in einer Bearbeitung für Akkordeon vor. Er holt damit diese Stücke auf die Straße zurück, ins Umfeld eines freieren Musizierens – was wiederum einen willkommenen Anlass dafür bietet, verschiedene Ansätze im Umgang damit zu reflektieren. Was nämlich wird aus der Volksmusik übernommen: die Tonalität, die Rhythmik, der Klang und das Instrumentarium? Was löst sie aus: Nostalgie, Heimatgefühl, was die erste Sendung prägt: Zieht uns die scheinbar ungebrochene Vitalität und Melancholie an? Sehnen wir Sentimentalischen uns nach ihrer Naivität? Oder geht in der Nostalgie nicht die oft raue Lebensrealität, die Arbeitswelt verloren, wie der zweite Abend fragt: Die Menschen sangen nicht nur im lustigen Beisammensein, sondern auch zur harten Arbeit. Reflektiert das die Musik? Und denken wir kritisch mit, wofür Volksmusik im Lauf der Jahrhunderte herhalten musste? Was geschieht damit in einer Transkription? Die Antworten sind vielfältig. Bartóks Stücke werden kombiniert und kontrapunktiert mit verschiedenen Beispielen aus der Neuen Musik.



© WDR 3, Studio Neue Musik, 20.11.2022

Béla Bartók:
1. Jocul cu bâta (Stabtanz). Allegro moderato
2. Brâul (Rundtanz). Allegro
3. Pe Loc (Stampftanz). Moderato
4. Bubiumeana (Kettentanz). Moderato
5. Poarga românesca (Rumänische Polka)
6. Allegro
aus: Rumänische Volkstänze

Teodoro Anzellotti, Akkordeon

Iannis Xenakis
Six Chansons

Luciano Berio
1. 
„Black Is the Colour“
2. „I Wonder as I Wander“
3. „Loosin yelav“
4. „Rossignolet du bois“
5. „A la femminisca“
6. „La donna ideale“
7. „Ballo“

Vinko Globokar
Les émigrés
(Ausschnitt)

Béla Bartók
Drei Ungarische Volkslieder
aus: Csík

Walter Zimmermann
Lokale Musik
(Ausschnitt)

Béla Bartók
Für Kinder

Teodoro Anzellotti, Akkordeon

Heinz Holliger
Toggel marata 
Zwischuspil I
Sehnsüchtigä Walzer
Totutanz
aus: Alb-Chehr

Regina Irman
Ein Vatter-Ländischer Liederbogen
nach Adolf Wölfli Nr. 2

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