Musiktipps

András Schiff: „Wenn man ganz konsequent ist, bleiben sehr wenige Orte, an denen man auftreten kann.“

Ein Interview mit dem Pianisten András Schiff von Hartmut Welscher. Klassische Musik kann einen treffen wie der Schlag auf den Kopf in Mark Twains Roman Ein Yankee am Hofe des König Artus: Man findet sich plötzlich in einer anderen Zeit wieder. Denn: So oder zumindest so ähnlich – HIPster sei Dank –  hat die Musik ja schon vor Jahrhunderten geklungen!

Sagen wir, im Jahr 1828 bei einer Schubertiade in einem Wiener Salon der Familie von Schober. Die Aura reist konserviert in der Zeitkapsel zu uns, wir reisen mit ihr zurück. Und manchmal bleiben wir in einer Zeitschleife stecken, an einen Ort, an dem wir jetzt gerade lieber wären.

Als Zeitreisender fühlt sich der Pianist Sir András Schiff im Wien der Habsburger so sehr zu Hause, dass ihm die Gegenwart oft zuwider scheint. Er stänkert gegen die ›klangliche Monokultur‹ von Steinway-Flügeln oder den ›Euro-Trash‹ des Regietheaters, die Sprachen zeitgenössischer Musik sind ihm weitgehend fremd geblieben. Mit der Interpretation seines Kernrepertoires – Bach, die Wiener Klassiker, Schubert, Brahms – ist es ihm so ernst, dass er jugendliche Arroganz als persönliche Beleidigung auffasst. Als ihm vor zwei Jahren ein junger russischer Pianist bei einem Meisterkurs beim Verbier Festival ein schlunzig vorbereitetes Bach-Präludium mit viel Pedal vorsetzt, nimmt Schiff ihn eine halbe Stunde lang auseinander: ›You have no idea what you’re doing.‹ 



© VAN MAgazin, 09/2023

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