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Zeit Online: Staples Jr. Singers „Gott als Geheimwaffe“

Knackige 50 Jahre nach ihrem Debüt veröffentlichen die Staples Jr. Singers ein zweites Album. Es stemmt sich gegen Gospelkommerz und Trump-freundliche Fundamentalisten. Von Jonathan Fischer.

Wo ist der Soul der Schwarzen Kirchen geblieben? Wer den zeitgenössischen Gospel allein über kommerzielle Radiosender und Charts verfolgt, war zuletzt wohl enttäuscht. Nicht nur, dass die Stars des Genres musikalisch weitgehend den Erfolgsformeln ihrer Popverwandtschaft folgen. Das Cross-over zum weißen Markt schlägt sich auch in den Texten manches Künstlers nieder: Da ist kaum noch etwas vom Geist schwarzer Selbstermächtigung und von gesellschaftlichem Aufbruch zu spüren, der zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung von den Kirchen in die Soulszene schwappte.



„Schwarze Gospelmusik“, schrieb Cory Hunter 2022 in der Zeitschrift Musical Quarterly, „hat traditionellerweise die existenziellen Anliegen der Schwarzen Community artikuliert.“ Aber, so erklärt der Musikwissenschaftler und Professor der University of Rochester: Dieses Selbstverständnis gerate ins Bröckeln. Viele der sichtbarsten und kommerziell erfolgreichsten Gospelstars feierten stattdessen eine Theologie der „racial oneness“ – was letztlich nichts anderes sei als: apolitische Farbenblindheit. Man befreie sich von den Assoziationen Schwarzer Geschichte und adressiere statt sozialer Ungerechtigkeiten lieber die Verantwortung des Einzelnen.




© Zeit Online, Kultur, Musik, 30.6.2024

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