Musiktipps

53. Deutsches Jazzfestival „Ein roter Teppich für John Coltrane“ Von Wolfgang Sandner

Schätze der Gegenwart und aus dem Archiv: Beim 53. Deutschen Jazzfestival brillieren besonders die Saxophonistinnen Lakecia Benjamin und Ingrid Laubrock. Auch die Frankfurter Schule des Jazz kommt zum Klingen.

Teufelsmusik. Endlich wieder Teufelsmusik! Gott sei Dank, möchte man dazu fast sagen. Devil’s Music, das waren eigentlich die Klänge, die keine bürgerliche, auch keine bürgerliche afroamerikanische Familie, je in ihren vier Wänden dulden wollte. Musik aus Kneipen mit schlechtem Ruf und aus Häusern, die erst zu später Stunde und dann nur mit hochgestelltem Mantelkragen und tief in die Stirn gezogenem Hut aufgesucht werden sollten. „No jazz, no blues, no ragtime in my house“, bekamen die King Olivers und Eubie Blakes in New Orleans und Baltimore, New York und Chicago einst zu hören, wenn sie auf ihren verbeulten und verstimmten Instrumenten zu Hause nachspielen wollten, was sie damals an jeder Straßenecke und aus jeder Spelunke ihrer Nachbarschaft mitbekamen. Teufelsmusik, ruppig, unangepasst laut, gefährlich sinnlich und so ziemlich für alles verantwortlich – für den Niedergang der Moral, das schlechte Wetter und die Sehnsucht der Frauen nach allgemeinem Wahlrecht.



© FAZ, Feuilleton, 1.11.2022


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