Musiktipps

Van Magazin: Kaan Bulak „So ein Klavier hat auch ein Unterbewusstsein.“

Komponist und Pianist Kaan Bulak über narzisstisch-komplexe Partituren, Ehrlichkeit und körpereigene Drogen, die einem bei Bruckner mehr bringen als LSD. Von Arno Lücker.

Kaan Bulak wurde in Aachen geboren, verbrachte aber seine Kindheit in Istanbul. Früh begann er mit dem Klavierspiel, ging in Stuttgart zur Schule, nach dem Abitur stand ein reguläres Klavierstudium nicht zur Debatte. Er landete bei Mathematik und Wirtschaft – und machte, doch zur Musik zurückkehrend, schließlich seinen »Master in Sound Studies« an der Berliner Universität der Künste. Audioproduktionsstudien im »Studio P4 im Funkhaus« bei Jean-Boris Szymczak und Komposition bei Martin Supper kamen hinzu. Von 2018 bis 2020 war Bulak Stipendiat von #bebeethoven im Rahmen des Beethoven-Jubiläums. In dieser Zeit forschte er an seinem Konzept des »Augmented Piano«, schrieb und nahm als Artist-in-Residence am ZKM Karlsruhe mehrere elektroakustische Werke auf. Überhaupt kreiert er seit einiger Zeit elektroakustische Werke für diverse Festivals, die er häufig selbst als Pianist und Klangregisseur aufführt. Arno Lücker hat Kaan Bulak an einem Winternachmittag in seinem Studio am Berliner Tiergarten getroffen.



VAN: Egal, welchen Beruf jemand ergriffen hat: Immer gibt es diese eine ›Grundtätigkeit‹. Das, was man am häufigsten macht. Bei vielen Künstlerinnen und Künstlern, die am Computer arbeiten, ist das – nennen wir es ›frickeln‹. Was ist das bei dir: Klavier spielen, komponieren, programmieren, ›frickeln‹?

Kaan Bulak: Klavierimprovisation!

Mit Publikum?

Habe ich auch schon viel gemacht, ja.

Was hast du künstlerisch am häufigsten getan? Auf die gesamte Dauer deiner bislang 31-jährigen Lebens gesehen …

Auch da ist es die Improvisation am Klavier. Im Konzert dann ist die Improvisation für mich der Peak des Ganzen. So wie früher die Kadenz im klassischen Klavierkonzert. Das ist dieses Fenster, das ich einbaue. Weil ich da einfach komplett frei loslassen kann. Das ist für mich das Zuhause. Das Komponieren kommt bei mir immer aus der Improvisation. Auch in meinem Studio improvisiere ich die meiste Zeit. Improvisieren ist mein Atmen.

Wenn du mit deinen Stücken auftrittst, ist dann die Trennung von improvisierten und komponierten Teilen klar? Oder gibt es Überschneidungen von Interpretation des Notierten und losgelassener Improvisation?

Das ist schon ziemlich getrennt. Bislang. Die Leute im Ensemble haben schon ab und zu mal vorgeschlagen: ›Bau doch mal so ein bisschen die Blöcke zusammen, damit wir auch mehr improvisieren können.‹ Aber bislang – also bis nächsten Mittwoch – ist es so, dass Improvisation und Komposition strikt getrennt sind. Beim zweiten Klavierquintett wird das Ende ein wenig offengehalten. Da schauen wir, was passiert. Wir haben uns auch mal eine Woche Zeit genommen, nur um zu improvisieren. Um zu sehen: Können wir das? Was können wir da klanglich machen? Es geht ja nicht um die Festlegung von Harmonien oder so. Das ist die banalste Art und Weise des Improvisierens. Es geht um den Klang, um das Zwischenmenschliche, um das Kommunizieren ohne sich anzuschauen.



© Van Magazin, 13.12.2022

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