Manche Theaterschaffende sind freier als andere Theaterschaffende. Sie sind unabhängig, autonom, experimentell. Sie wählen ihre Themen selbst, bestimmen individuell über Arbeitsweisen, erforschen innovative ästhetische Strategien, suchen sich neue Orte. Im Idealfall formulieren und vollziehen sie damit Kritik – am Betrieb und an der Gesellschaft.
Von Stephanie Metzger
„Der Kern der Erfahrung ist dieses bei Null anfangen und erst einmal komplett frei denken zu können, auch keine Kunst machen zu müssen. Das ist eine Erfahrung, die weit über, sag ich mal, einen Berufsbegriff raus geht. Sondern das ist etwas, das tief mit der einzelnen Künstlerpersönlichkeit verwurzelt ist.“
Benno Heisel
Freiheit als künstlerische Innovation, als Statement, als Widerstand und -Illusion? Denn manche Theaterschaffende sind unfreier als andere Theaterschaffende. Sie machen das, was sie eigentlich machen wollen „nebenher“, hangeln sich von einem Projekt zum nächsten – wenn es ein solches überhaupt gibt – , leben prekär. Kreativität entwickeln sie vor allem in der Formulierung von Förderanträgen, Engagement fließt in ein Selbstmarketing, das dem Startup im Kreativquartier nebenan kaum nachsteht. Freiheit als Synonym für das unternehmerische Selbst, neoliberale Selbstausbeutung und ästhetische Anpassung an die Wünsche der Förderinstitutionen. Künstlerische Freiheit war und ist immer relativ, heute mehr denn je. Aber heißt das tatsächlich, dass es das „freie Theater“ nicht gibt? Als eindeutiges Genre sicher nicht, zu heterogen sind die Erscheinungsformen. Aber vielleicht doch als Beharren auf alternativen künstlerischen Produktionszusammenhängen, in denen Freiräume jenseits gesellschaftlicher Verwertung möglich sind? Gibt es Alternativen? Der Essay diskutiert mit Theatermachern, Festivalleitern und Vertretern der Kulturpolitik über ihr Verständnis von Freiheit und Betrieb. Und er wirft Schlaglichter auf die künstlerische Relevanz und das gesellschaftskritisches Potential einer freien Theaterszene.
„Erst einmal ist es ein Festival, das heute von der Stadt für die freie Tanz- und Theaterszene veranstaltet wird. Tendenzen, die ich jetzt für dieses Festival sehe ist: kleinere Formate. Haben wir aber nicht nur als Trend in München, sondern ja allgemein. One to one Begegnungen oder Spaziergänge mit begrenzter Platzzahl oder Erkundung eines Ortes, der unbekannt ist. Viel diskursives Potential, also wo entweder der walk schon mit einem Gespräch mit den Partizipierenden verbunden ist oder wo am Ende was offen endet und wo man sagt, ok, die Form sucht das Gespräch.“
Sarah Israel
Das Freie Theater gib es nicht?
Über Glanz und Illusion künstlerischer Freiheit
Von Stephanie Metzger
Mit Hemma Sophia Michel, Xenia Tiling, Bijan Zamani
Regie: Stephanie Metzger
BR 2017, 49‘42