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Alles Theater (4/4): „Was tun!“ Das Real-Theater des Milo Rau

Kann Kunst die Welt verändern? Der Schweizer Milo Rau (*1977) begreift das Theater als Möglichkeit, ins Weltgeschehen einzugreifen. Und die Wirklichkeit reagiert tatsächlich empfindlich auf seine Einmischungen.

Von: Christoph Leibold

Nach seiner Justizperformance „Die Moskauer Prozesse“ etwa – einer Neuverhandlung von Schauprozessen gegen Pussy Riot und andere Künstler – belegte Russland ihn mit einem Einreiseverbot. Auch in Weimar und München stieß Rau auf Widerstand: Als er dort die Rede des Massenmörders Anders Breivik von einer Deutsch-Türkin vortragen ließ, wurden ihm bereits versprochene Aufführungsorte kurz vor der Premiere wieder abgesagt. Am Münchner Residenztheater erarbeitete er das Projekt „The Dark Ages“, wobei ihn der Autor begleitete. Es widmet sich der finsteren Vorgeschichte des sich vereinigenden Europas. Immer wieder befasst sich Rau mit Gewaltgeschichten, stets auf Grundlange intensiver Recherche.
Meist wird er deshalb als Dokumentar-Theatermacher gehandelt. Er selbst sagt: „Ein Drama ist auch ein Dokument“ und spricht daher lieber von „Real-Theater“, mit dem er Möglichkeiten aufzeigen will, etwas in der Wirklichkeit zu bewegen. Das Theater ist Raus Weg, nicht tatenlos zuzusehen, wie die Welt in Gewalt versinkt.

Milo Rau wurde 1977 in Bern geboren. Er hat Soziologie, Germanistik und Romanistik studiert. In Paris, Zürich, Berlin. Danach arbeitete er zunächst für die Neue Zürcher Zeitung, unternahm Recherchereisen nach Mexiko und Kuba. Erst dann kam die Theaterarbeit. Seither inszeniert Milo Rau in aller Welt.

© Bayern 2, Nachtstudio, 8.8.2017

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