Gegensätzlich und herausfordernd gut waren die ersten Konzerte und Performances. „Berlin Atonal“ läuft erstmals seit Jahren wieder als Festival. Von Beate Scheder und Julian Weber.
Traditionell war Schwarz die Farbe des Existenzialismus. Von den Exis wanderte Schwarz via Punk Ende der 1970er zum Exorzismus von Industrialmusik, Noise und Gothic. Unvermeidlich also, dass Schwarz auch die Signalfarbe am Donnerstagabend zur Eröffnung des Festivals „Berlin Atonal“ im Kraftwerk war. US-Produzent Speaker Music schlug neulich vor, „Berlin Atonal“ als Genrebezeichnung zu etablieren. Eigentlich gut, aber die jungen Leute ganz in Schwarz sahen dafür viel zu adrett und durchtrainiert aus. So höflich, so gewandt bewegte sich diese Meute über die Treppen und Stockwerke des Berliner Kraftwerks zu den verschiedenen Bühnen und Performance-Plätzen, die in dem riesigen Industriegebäude installiert wurden.
Den Anfang machte die US-Elektronikproduzentin Laurel Halo. Zusammen mit der Cellistin Leila Bordreuil enterte Halo die Bühne und setzte sich an den Flügel, den sie meist nur mit einer Hand bespielte, da diverse Effektgeräte und Synthesizer mit der anderen Hand zu bedienen waren. Und so klang die „Atlas“ betitelte Arbeit des Duos keineswegs neoklassizistisch. Anflüge von impressionistischen Piano-Tupfern wurden von schneidenden Störsignalen weggefräst, das Cello winselte und Halo killte cineastische Ambientmomente rasch mit kalter Rache: wie eine Motorsäge, die Seerosen entzweit.
© TAZ, Kultur, 11.9.2023