Eingebettet in ein Weltall ohnegleichen, oben, unten, überall, in dem es allen Geräuschen den Atem verschlagen hatte, fand ich mich selbst auf einmal in einem unfassbaren Staunen wieder. Von Wolfram Schütte.
Werner Herzog, der 1962 zur gleichen Zeit aus dem Dunkel der Geschichte auftauchte wie die »Oberhausener«, also die erste Generation des »Neuen (Jungen) Deutschen Films« in der BRD, gehörte gleichwohl nicht zu ihnen. Schon damals, als die Generation Kluge, Reitz, Schlöndorff, Wenders è tutti quanti weltweit für Aufsehen sorgte, war der gleichaltrige Münchner Herzog ein Außenseiter, der sowohl thematisch & stilistisch als auch, was seine Drehorte anging, ganz & gar seine eigenen Wege ging.
Obwohl er wie seine bundesdeutschen Generationsgenossen »Opas Kino« verabscheute (aber er allein verehrte das expressionistische deutsche Stummfilmkino), wirkte er selbst & auch seiner ersten Kurzfilme »befremdlich« & »wie aus der Zeit« (der gärenden links-liberalen Unruhe) »gefallen«. Gesellschaftspolitisches Denken oder psychologisch-realistisches, »bürgerliches« Kino schienen dem jungen »Wilden«, dem eigen-sinnigen Herzog »wesensfremd« zu sein. Er glich damals eher dem einst rätselhaft aufgetauchten Kaspar Hauser, dem er prompt seinen dritten Spielfilm widmete. Wie dessen Titel (»Jeder für sich und Gott gegen alle«,1974) heißen nun auch wieder seine »Erinnerungen«, die er vor einem Jahr abgeschlossen, aber jetzt erst zu seinem 80. Geburtstag publiziert hat.
© Glanz und Elend, 4.9.2022