Mit dem Übergang von der Großen Koalition zur Ampelregierung wird nicht zuletzt ein Wandel der deutschen Kulturpolitik erhofft oder befürchtet, je nachdem. Wird Kulturpolitik in Zeiten der Krise eher ein defensives Projekt?
Es gibt kein politisches System, das nicht auch seine Kultur (und manchmal „Unkultur“) hervorbringt und pflegt. Der Pariser Mai begann mit der Verteidigung der Cinémathèque, ein Beispiel für Umbrüche, die ihre Vorläufer im Konfliktfeld zwischen Politik und Kultur haben. Auf der anderen Seite zeichnen sich autoritäre Regimes immer zuerst durch einen „Kulturkampf“ gegen das Moderne und Fremde aus.
Der Wandel in Deutschland könnte lauten: Weg von prestigeträchtigen Großbauten und „Leuchtturm“-Projekten, hin zu einer Förderung der freien Kulturszenen vor Ort, weg vom kulturellen Superstar-System, hin zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation aller Kulturschaffenden. Aber ist dieser Paradigmenwechsel überhaupt tragfähig?
Das Verhältnis zwischen Politik und Kultur muss auf jeden Fall neu justiert und neu durchdacht werden. Es kommt darauf an, wie groß der Anteil der kritischen Öffentlichkeit und der Medien an diesem Prozess ist. Der Essay fragt anhand einiger konkreter Beispiele nach den Plänen der Politik und den Reaktionen der Kultur in der Praxis.
© Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 8.5.2022