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„Gaddafi, wem hast du Afrika anvertraut?“ Wüstenblues Von Mdou Moctar

Wenn aus Klage Anklage wird: Der nigrische Gitarrist Mdou Moctar spielt auf seinem Album „Afrique Victime“ aufgeklärten Wüstenblues mit psychedelischen Untertönen. Von Peter Kemper

Was haben Fahrräder mit Gitarren zu tun? In der konservativ-muslimischen Familie von Mdou Moctar war Musik verpönt. Sie galt als sicherer Weg in ein sündiges Leben. Also musste sich der Elfjährige heimlich aus einem Stück Holz und den Seilzügen von den Bremsen alter Fahrräder seine erste Gitarre bauen. „Musik ist in Niger keineswegs verpönt. Nur in meiner strenggläubigen Familie galt sie als Teufelswerk, niemand von uns spielte ein Instrument. Als ich mit der Gitarre anfing, waren meine Eltern überzeugt, ich würde unweigerlich drogensüchtig, alkoholabhängig und kriminell“, erinnert sich Moctar heute in einem Interview. Damals verehrte er ganz profan Gitarristen wie Abdallah Ag Oumbadougou aus Niger und Ali Farka Touré aus Mali als seine weltlichen Herrscher.

Der oft metallisch wirkende Sound der E-Gitarre ist bohrend und hypnotisch zugleich. Mit silbrig schimmernder Flattertechnik produziert Moctar endlose Notenschwärme, die sich vom Griffbrett erheben. Der Zeigefinger seiner linken Hand attackiert – fast unsichtbar – rasend schnell die Saiten, während die rechte unaufhörlich Hammer-on-Ketten knüpft. Der Tuareg-Troubadour beherrscht die Tapping-Technik eines Eddie Van Halen ebenso, wie er die rhythmische Wucht von Prince besitzt. Ob in sanft treibenden Liebesliedern oder flammenden Protestsongs – immer wieder verzahnt Moctar akustisches Gitarrenspiel mit puren Sound-Explosionen.

© FAZ, Feuilleton,

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