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„Grabungsfeld Ost“ Romane über die DDR

Über 30 Jahre nach der Wende hat eine selbstkritische Auseinandersetzung mit Täterschaft und Mitläufertum noch nicht ausreichend stattgefunden. Die Opfererzählung bestimmt den Diskurs. Doch einige neue literarische Texte graben tiefer. Von Sabine Voss.

In der Literatur findet über 30 Jahre nach der Wende eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit statt.

Viele Ostdeutsche erkennen sich im offiziellen Geschichtsbild von der DDR als Unrechtsstaat nicht wieder. Zu vieles wurde aus der offiziellen Erinnerungskultur gelöscht und für anstößig befunden, was für die Menschen aber durchaus von Bedeutung war. Die Beschreibung der DDR vor allem als Diktatur halten viele daher für eine Verzerrung ihrer Lebenswirklichkeit. Demgegenüber fallen die subjektiven Bewertungen der DDR sehr häufig positiv aus. Über 30 Jahre nach der Wende lässt sich konstatieren, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit an vielen Ostdeutschen vorbeilief, dass eine breite selbstkritische Auseinandersetzung mit Verantwortung in der DDR, mit Täterschaft, Mitläufertum und falschen Kompromissen nicht stattgefunden hat. In neuen literarischen Texten leuchten nun vor allem die Nachgeborenen in das Schweigen hinein. Wie Archäologen tragen sie Zeitschichten ab und thematisieren die Rolle, die ihre Eltern und Großeltern in der DDR und schon im Nationalsozialismus gespielt haben. Damit ist der Fokus verschoben – weg von den Opfererzählungen über die Zumutungen der Nachwendezeit hin zur DDR als Tätergesellschaft, die ihre Spuren auch in den folgenden Generationen hinterlassen hat.



© Deutschlandfunk Kultur, Literatur, 14.5.2023

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