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„Ich bekam ein Puzzle zum Geschenk“ Die Lange Elias-Canetti-Nacht

Von Sven Rücker. Elias Canetti hat das Europa des 20. Jahrhunderts zeitlich (1905-1994) und geographisch fast komplett durchmessen, hat in Bulgarien, Österreich, Deutschland und England gelebt, hat die Demokratie erste Schritte machen und scheitern, und im Zweiten Weltkrieg unvorstellbare Grausamkeit und Brutalität sich entfesseln sehen. Und über alles hat er geschrieben.

„Ich bekam ein Puzzle zum Geschenk: Die farbige Karte Europas, auf Holz aufgeklebt, war in die einzelnen Länder zersägt worden. Man warf die Stücke auf einen Haufen und setzte blitzrasch Europa wieder zusammen.“ So berichtet der Autor Elias Canetti (1905-1994) in seiner Autobiografie. Was als Kinderspiel begann, entwickelte sich sehr schnell zum Ernstfall seiner persönlichen und künstlerischen Existenz. Mehr als einmal wurde während seines Lebens Europa zersägt und neu wieder zusammengesetzt. Als Nachkomme einer Kaufmannsfamilie mit spanischen Wurzeln wuchs Elias Canetti in Bulgarien auf, lebte in Österreich-Ungarn, in Deutschland und in England. Sein Leben umspannte fast das gesamte 20. Jahrhundert, und es umspannte fast den gesamten Kontinent. Wer also, wenn nicht er, war dazu prädestiniert, das Puzzle Europa ins Werk zu setzen? In ein Werk, das selbst wie ein Puzzle in disparate Teile zerfällt, aber vielleicht gerade dadurch seinem Gegenstand gerecht wird. So wie Elias Canetti in seinen Texten Europa seziert, auseinandernimmt und wieder zusammenfügt, soll auch in dieser „Langen Nacht” aus den Puzzleteilen seiner zentralen Motive – Berühren, Einverleiben, Wachsen, Überleben und Verwandeln – das Bild Canettis und seines Werks zusammengesetzt werden.



Ich bekam ein Puzzle zum Geschenk
Die Lange Elias-Canetti-Nacht
Von Sven Rücker
Regie: Stefan Hilsbecher

© Deutschlandfunk, Lange Nacht, 17.8.2024

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