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„INTENSIV“ Jazzfestival Saalfelden: Ekstase, Maskenluft und die Eroberung der Stadt

Das Jazzfestival Saalfelden ist zurück und wirkt als Party der freien Improvisation , die Zukunftsfragen provoziert. Von Ljubiša Tošic.

Natürlich hat der maskierte Hörer in Saalfelden zwischendurch (wie bei den Salzburger Festspielen oder in Wagners Bayreuth) das Gefühl, an der eigenen Luft zu ersticken. Er beneidet sogar Sprachkünstler Christian Reiner, der bei seinem Projekt Luft nebst abstrakten Geschichten um urbane Vereinsamung – maskenfrei – auch vokal Grenzbereiche des nervösen Ausdrucks aufsucht. Aber Saalfelden findet immerhin statt.about:blank

In einer Art Fantasiesprache parliert Reiner im Congress mit Bläserensemble und verschafft sich auch emotional Frischluft, während seine Kollegen und Kolleginnen teils mit Zirkularatmung (quasi gleichzeitig Luft holen und dennoch ausatmend Töne produzieren) für unendlich lange Klangmantras sorgen. Tendenziell eine diskrete freie Improvisationsséance.

Da ging es bei Irreversible Entanglements rund um die Rapperin und Poetin Camae Ayewa, bekannt auch als Moor Mother, hitziger zu. Rund um ihre Verbalausbrüche schleudern auch ihre Kollegen emphatisch tönende Anklagen und Fragen in den Raum. „Was werden wir unseren Kindern sagen?“, platzt es aus Ayewa heraus, die nachlegt: „Was werden wir zu uns sagen, wenn wir in den Spiegel schauen?“

Später fällt auch das Wort „beten“, und kniend treibt Saxofonist Keir Neuringer diese emphatische Erinnerungsmusik an den Free Jazz der 1960er Richtung Extremsound. Hier ist ein kathartisch wirkender engagierter Aktionismus am Werk, den Ayewa aufgeregt prophetisch mit „Keine Angst mehr, keine Angst mehr!!“ befeuert. Es wirkt, als wollte sie mit dieser Intensivcombo in das kollektive Unbewusste der maskierten Zeugen eindringen und diesen befreienden Angstsatz einpflanzen.

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