Musiktipps

Jasss: „Eine Androidin träumt“

Gesampelte Umweltgeräusche und manipulierte Stimmen: Die Techno-Produzentin Jasss macht Musik zwischen Avantgarde und massenbegeisterndem Pop. Eine Rezension von Jens Balzer

Das Lied zur Stunde hört sich vielleicht so an: Es ruht auf den treibenden Rhythmen des Techno. Es ist beseelt von der Euphorie, die einen beim Tanzen in dunklen, überfüllten Räumen ergreift, beim Sich-Verlieren in einer Menge von Menschen, die der Beat zu einem flüchtigen Kollektiv sammelt, einander erregend nah und auch beruhigend fremd. Man spürt die Euphorie in diesem Lied, aber sie ist in ihm zugleich auf eine Ahnung gedimmt, auf den Nachhall einer verlorenen Zeit.



Man spürt eine Energie, die sich Bahn brechen möchte. Doch wird jeder Versuch des Ausbruchs verschleppt, denn die Rhythmen, die eigentlich gern treiben würden, haben sich durch einen zähen Lärmschlick zu kämpfen. Über der Szene herrscht Dunkelheit, manchmal piept ein Echolot: Wie vermessen wir heute den Raum, in dem wir uns wohlfühlen, die Nähe und den Abstand zu anderen Menschen? Irgendwann setzt ein Jubel aus verzerrten Synthie-Sounds ein, wie die Rave-Fanfaren, die man von großen Techno-Open-Air-Festivals kennt. Auch sie bleiben aber im schleppenden Rhythmus der Musik gefangen, so wirkt ihre Verzerrtheit nicht mehr euphorisch, sondern erkrankt. Es ist, als ob man eine Party durch eine Gefängniswand hört oder durch die Wände in einem Spital.




© Zeit Online, Kultur, 13.12.2021

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