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Meilenstein der Moderne (25): Sofia Gubaidulina – Stimmen…verstummen

Am Ende verstummt das Orchester, und der Dirigent schlägt noch dreizehn Takte allein weiter, ohne Musik. Was wie ein Gag oder wie ein verspätetes instrumentales Theater anmutet, führt hier in die Stille, ins Wort- bzw. Klanglose. Mit Thomas Meyer.

Man weiß nicht recht: Wird da etwas verweigert oder sind wir auf einer mystischen Ebene angelangt? Erzählt dieses Werk, indem es Stille, Schönklang und Aufschrei aufeinanderprallen lässt, von Jenseitigem, von der Menschheit oder vielleicht doch auch vom Ende der Sowjetunion?

Die Sinfonie Stimmen … verstummen …, deren zwölf Sätze in wechselnden Klangzuständen die Veränderlichkeit des menschlichen Lebens symbolisieren, ist ein Schlüsselwerk der tatarisch-russischen Komponistin, die am 24. Oktober neunzig Jahre alt wird. Das Werk basiert auf der Fibonacci-Reihe. Auch das ist mehr als Zahlenspielerei, sondern verweist auf eine Ausgewogenheit und Wohlproportioniertheit, die allzu leicht gestört werden kann. Das scheinbare Kalkül ist emotional und spirituell aufgeladen.

„Mit zu bewundernder innerlicher Kraft blüht, explodiert und trifft diese Musik, wie prismatische tragische Leben – Liebe – Erregungen, auf uns erstrahlend. Das, und viel vieles mehr, schenkt uns die Genialität von Sofia Gubaidulina.“ (Luigi Nono)



Sofia Gubaidulina: Stimmen… verstummen… (1986) Sinfonie in zwölf Sätzen für Orchester

© WDR 3, Studio Neue Musik, 24.10.2021

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