Sängerin, Tänzerin, Filmemacherin, Choreographin und Komponistin. Die Amerikanerin Meredith Monk ist eine Ikone der Vokal-Performance. Von Kerstin Kilanowski.
Seit ihren Anfängen in den 1960er-Jahren experimentiert die Komponistin mit der menschlichen Stimme, dem Körper, mit Raum und Stille und schafft visionäre Gesamtkunstwerke. Jetzt feiert die Sängerin, Tänzerin, Filmemacherin, Choreografin und Komponistin ihren 80. Geburtstag.
Mitte der sechziger Jahren, zu einer Zeit des künstlerischen Aufbruchs, des anything-goes, begann die Laufbahn einer Frau, die seitdem auf völlig neue Weise Tanz, Gesang, Film und Performance miteinander verbindet, interdisziplinär, Grenzen überschreitend.
Ihr Gesamtkunstwerk lässt sich nur schwer in eine Kategorie einordnen. Was zu allererst auffällt, ist die Freiheit des Stimmausdrucks jenseits von Belcanto oder normierter Schönheit: geflüsterter Hauch, Keuchen, mädchenhafter Sopran, Zwitschern, Jodelsprünge, Heulen, Summen und dann die zarte, wortlose Melodie wie aus einem vergessenen Traum. Verständigung, bevor es Sprache gab, musikalische Bilder, die an prähistorische Zeiten erinnern, als der Mensch noch kein Homo Sapiens war.
In Deutschland wurde Meredith Monk Anfang der achtziger Jahre mit ihrem bahnbrechenden Album „Dolmen Music“ bekannt. Seitdem hat sie Werke für große Chöre, Tanzensembles, Filminstallationen und Opern auf die Bühne gebracht. Apropos „Oper“: Meredith Monks Ensemble-Mitglieder müssen weit mehr mitbringen als eine „schöne“ Stimme. Der äußerst persönliche Vokalausdruck spiegelt sich in der physischen Präsenz des individuellen Körpers, der wiederum in Relation zu den anderen Performern und dem gesamten Raum steht.
Inspiriert wird die Komponistin oft durch literarische und philosophische Werke, wie in ihrem letzten multimedialen Musiktheater „Cellular Songs“: die einzelne Zelle als lebendige Einheit und zugleich Teil eines riesigen, sich austauschenden Geflechts, das den Körper ausmacht. Meredith Monk versteht diese Komposition als Analogie zur menschlichen Gemeinschaft, die nur durch Großzügigkeit und Zusammenhalt überleben kann.
„Ich saß am Klavier mit meiner normalen westlich-europäischen Gesangstechnik. Eines Tages kam mir die Erkenntnis, dass die Stimme wie ein Instrument ist. Dass ich mit der Stimme genauso wie mit meinem Körper arbeiten kann, mit meiner eigenen Art von Choreographie. Dass es Männliches und Weibliches in der Stimme gibt, Tiere, Pflanzen, Mineralien, Landschaften – Gefühle, für die wir keine Worte haben. Ich war mir der uralten Kraft der Stimme sehr bewusst.“
Meredith Monk, Komponistin
SWR 2, 21.11.2022