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Release Tipps: „Stimmengewirr“

Musik von Maja S. K. Ratkje & Nordic Affect, Olivia Louvel, ZÖJ, Andrea Burelli und Beatriz Ferreyra. Hier treffen ganz unterschiedliche Frauenstimmen aufeinander. Jede auf ihre Art anders und faszinierend. Beatriz Ferreyra ist sozusagen eine Zugabe. Spannend sind sie alle.


Maja S. K. Ratkje & Nordic Affect – Rökkur / Øra Fonogram

„Das war Musik von atemberaubender Brillanz und Fantasie, die umso lebendiger und authentischer wirkte, als die Interpreten offensichtlich ganz entspannt waren und die Musik eine leicht raue Qualität hatte. Am Ende wollte ich das Gamla Bíó gar nicht mehr verlassen, ich wollte bleiben und mich in seinem Nachglühen sonnen, die verglimmende Glut und das Echo der Magie genießen, die hier geschaffen worden war.“

5:4 at the premiere concert of Rökkur

Rökkur“ ist das isländische Wort für Dämmerung – die Stunde, in der die Schatten fallen, eine Zeit des Übergangs, der Zweideutigkeit und der Magie. Wenn „rökkur“ in der vor-elektrischen Zeit eintrat, entstand ein Raum zum Geschichtenerzählen, Lesen, Spinnen, Singen oder sogar für einen traumähnlichen Zustand des Dösens. Inspiriert von dieser gemeinsamen Tradition haben sich Maja S. K. Ratkje und das Ensemble Nordic Affect auf eine klangliche Reise begeben, auf der „rökkur“ zu einem Weg wird, auf dem sich das Vertraute, die Atmosphäre der Vergangenheit und die noch zu erahnende Zukunft morphen und verschieben.

Nicht umsonst habe ich das Zitat von der bemerkenswerten Seite 5against4 (die ich nur wärmstens empfehlen kann) vorangestellt. Aus der Zusammenarbeit von Maja S. K. Ratkje und dem Ensemble Nordic Affect ist eine sehr beeindruckende Musik entstanden. Voller Magie und Wärme. Etwas, das ich heute sehr selten zu hören bekomme. Anhören.


Olivia Louvel – doggerLANDscape / Collectible Objects + Cat Werk Imprint

Was ist das Doggerland? Es gab eine Zeit, in der hätten wir von Deutschland nach Großbritannien laufen können. In den Tiefen der Nordsee schlummert nämlich ein prähistorisches Geheimnis. Das versunkene sogenannte Doggerland liegt dort und erzählt eine spannende Geschichte über unsere Nordsee. Die kontemplative Videokunst von Olivia Louvel, die die Veröffentlichung des Albums begleitet, basiert auf Louvels Suche nach den Überresten des versunkenen Waldes von Doggerland an der Küste von Lincolnshire. Es dokumentiert ihre geologischen Funde der Reste des uralten Baumes, die zwischen bei Ebbe und Flut auftauchen.

Wir entdecken mit Olivia Louvel diese versunkene Landschaft, hören die Aufnahmen mit ihren Beobachtungen und Gedanken zu Doggerland. Es ist ein unterhaltsamer Blick in unsere Geschichte, den ich sehr gerne verfolge.


'doggerLANDscape' by Olivia Louvel from Cat Werk Imprint on Vimeo.


ZÖJ – Fil O Fenjoon / Parenthèses Records

ZÖJ (was auf Farsi „Paar“ bedeutet) ist ein experimentelles, interkulturelles Musikduo mit Sitz in Australien, bestehend aus Gelareh Pour an der Kamancheh und Brian O’Dwyer am Schlagzeug. Das Duo kreiert seit 2016 Musik als ZÖJ, und arbeitet aber in verschiedenen Projekten seit 2012 zusammen. Sie beschreiben das ZÖJ als eine „fortlaufende Konversation“, die Gelarehs persischen Musikhintergrund und Brians experimentelle Perkussion kombiniert, um neue australische Musik zu schaffen. Ihr Album Fil O Fenjoon wurde im Primrose Potter Salon des Melbourne Recital Centre aufgenommen.

Gemeinsam schaffen ZÖJ einen einzigartigen und kraftvollen Sound, der die traditionelle Musik ihrer jeweiligen Kultur mit zeitgenössischen experimentellen Elementen verbindet. Pours virtuoses Kamancheh-Spiel wird durch O’Dwyer’s dynamisches und vielfältiges Schlagzeugspiel ergänzt, das Ergebnis ist ein Sound, der zugleich komplex und zugänglich ist. © Text: Label


Gelarehs Stimme kann in einem Moment beruhigend und träumerisch sein und sich dann zu kunstvoll ausgearbeiteten Tönen zu steigern – mit einer starken Intensität, die eine messerscharfe Kontrolle und Hingabe bewahren.

– Hear & Now

Langsam und eindringlich bauen sich ihre Songs auf und entwickeln dabei eine enorme Kraft. So etwas Intensives habe ich lange nicht mehr gehört. Nick Cave ist ein großer Fan von Gelareh Pour und ihrer Stimme. Und ich kann ihm nur zustimmen. Brian O’Dwyer zaubert dazu immer die passenden Stimmungen. Eine tolle Veröffentlichung, der ich viele Hörer wünsche.



Andrea Burelli – Sonic Mystics for Poems (of Life and Death of a Phoenix) / Self Release

Andrea Burelli besingt Landschaften, die sich im Sand der Zeit und der Erinnerung verlieren, bezaubernde Sonnenuntergänge, die Unendlichkeit des Meeres, imaginäre Länder voller Magie, das Ende der Welt und die Liebe. „Sonic Mystics for Poems‘ ist ein Werk, das für mich eine tiefe Bedeutung erlangt hat“, verrät Andrea. „Wenn ich darüber nachdenke, wo diese Platte entstanden ist, führt mich meine Erinnerung zu meinen Ursprüngen, dem Mittelmeer. Seine Gewässer sind mein Zuhause.“ Der thematische Reichtum des Albums ergibt sich aus den vielfältigen kulturellen Einflüssen des Mittelmeerraums, von Südeuropa über den Nahen Osten bis nach Nordafrika. Ihre Texte sind voller Farben, eine Bildsprache, die aus ihrer früheren Tätigkeit als Malerin stammt, und stehen in krassem Gegensatz zu ihren analogen Schwarz-Weiß-Videos, die eine intime Welt von Symbolen und poetischen Assoziationen zeigen und die Möglichkeiten ihrer Bedeutung offen lassen. © Text: Label

Andrea Burellis Lieder sind sehr persönlich. Sie sind sparsam instrumentiert, was ihnen einen fragilen, fast intimen Charakter verleiht. So gehen Sie unter die Haut und bleiben irgendwie hängen.


Beatriz Ferreyra – UFO Forest + / Room40

 Lawrence English schreibt u.a. folgendes über dieses Release: Beatriz Ferreyra ist eine der wenigen Komponistinnen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute aktiv waren. Ihr Werk, das noch immer aktiv erforscht wird, ist gleichzeitig komplex und elegant einfach. Oft geht Ferreyra von einzelnen Objekten aus und verwendet Tonband und andere Formen der Manipulation, um das von ihr gewählte Klangmaterial radikal zu rekonfigurieren und nach außen zu öffnen.

UFO Forest + versammelt Werke sowohl aus ihrer Praxis der bandbasierten Musik als auch der computerbasierten Arbeiten. Die hier gezeigten Stücke verkörpern ihr Können bei der Schaffung von dynamischen, reichhaltigen Klangwerken, die mühelos ein Gefühl von Jenseitigkeit vermitteln. Beatriz Ferreyra hat ein ganz eigenes klangliches Terrain geschaffen, und hier ist der Beweis dafür.


Lasst euch von diesem Text von Lawrence English einladen, das Werk von Beatriz Ferreyra kennenzulernen!

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