„Spiel, Spaß und ewige Jugend“ Gesellschaft im Sog der Infantilisierung

Unsere Gesellschaften, unsere Kultur und vor allem unsere populären Medien erzeugen einen Sog in Richtung einer „Infantilisierung“, die gewisse Gefahren für die kulturelle Identität und die Wissensgesellschaft bedeutet. Von Markus Metz und Georg Seeßlen.

Infantilisierungsbilder sind Teile von Machtverhältnissen. Infantilisierung scheint vor allem ein probates Mittel für die Manipulation von Konsumwünschen, weswegen der Grad an Infantilisierung einer Gesellschaft auch gern an ihren Werbebotschaften bemessen wird. Sie enthalten nicht zuletzt oft eine Sehnsucht nach einer Kindheit, die es nie gab.

Unter Infantilisierung versteht man im Allgemeinen eine Vermischung von drei Impulsen: Da ist einmal die Komplexitätsreduzierung – ein Widerwillen gegen alles Komplizierte, Widersprüchliche und Relativierende. Zweitens ist die Verwandlung aller Kommunikationsformen in „Spiel und Spaß“ zu beobachten, mit einem Hang zu Intimisierung und Verniedlichung. Und drittens ist da der Sieg des kindlichen Narzissmus und Egoismus über erwachsene Verantwortlichkeit und Reflexion.

Aber kommen wir mit diesem gewiss etwas „kulturpessimistischen“ Modell überhaupt weiter, das heißt, der Verfassung unserer eigenen Kultur auf die Spur? Ist der Vorwurf der Infantilisierung gar „klassistisch“ oder „elitär“, also von Leuten erhoben, die sich als etwas Besseres wähnen? Taugt er zur Beschreibung einer Flucht vor der Unübersichtlichkeit und Widersinnigkeit der Realität?



Markus Metz, geboren 1958, studierte Publizistik, Politik und Theaterwissenschaft, er lebt als Hörfunkjournalist und Autor in München. Zuletzt erschien von ihm „Wir Kleinbürger 4.0. Die neue Koalition und ihre Gesellschaft“ (Edition Tiamat, Berlin) und „Apokalypse & Karneval. Neoliberalismus: Next Level“ (Bertz & Fischer, Berlin), beide gemeinsam mit Georg Seeßlen.

Georg Seeßlen, geboren 1948, hat in München Malerei, Kunstgeschichte und Semiologie studiert. Er war Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland und schreibt heute als freier Autor unter anderem für Die ZeitFrankfurter Rundschautaz und epd Film. Außerdem hat er rund 20 Filmbücher verfasst und Dokumentarfilme fürs Fernsehen gedreht.

© Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 23.4.2023

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner