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SZ Jazzkolumne: „Der Störenfried“ Andrian Kreye über Ornette Coleman

Ornette Coleman hat den Free Jazz erfunden, aber auch Ohrwürmer komponiert. Einige davon schrieb er während seiner Zeit bei Blue Note.

Als Ornette Coleman 1959 sein erstes New Yorker Engagement im Five Spot Café hatte, war das für die Kultureliten der Stadt zehn Wochen lang ein Muss. Intellektuelle wie James Baldwin und Norman Mailer kamen, der Dirigent Leonard Bernstein, Filmstars, Dichter. 29 Jahre alt war Coleman, sein Weggefährte Don Cherry 23. Man sah schon auf den ersten Blick, dass hier Konventionen aus den Angeln gehoben wurden. Coleman spielte ein Altsaxofon aus weißem Plastik, Cherry eine Taschentrompete. 1959 war ansonsten das magische Jahr des Modern Jazz. Miles Davis veröffentlichte das Meisterwerk der Melancholie „Kind of Blue“, Dave Brubeck landete mit der Eleganz von „Take Five“ einen Hit, John Coltrane legte mit „Giant Steps“ die ewige Messlatte der Virtuosität. Und Coleman? Hatte soeben sein zweites Album veröffentlicht, mit einem Quartett ohne Klavier und einem Musikverständnis, das wie Kubismus in Tönen wirkte.



Den Schritt zum abstrakten Expressionismus machte Ornette Coleman schon im darauffolgenden Jahr. Da versammelte er acht Musiker, die gleichzeitig miteinander improvisierten. „Free Jazz“ hieß das Album, das dem Genre seinen Namen gab und bis heute als Blaupause für freie Musik gilt. Die Parallele zur Malerei stellte Coleman selbst her und ließ ein Gemälde von Jackson Pollock aufs Cover drucken.



© Süddeutsche Zeitung, Kultur, 21.2.2022


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