„Black Midi“ und „Porcupine Tree“ haben neue Prog-Rock-Alben, die Lärm enthalten, tolle Dissonanzen oder transzendentalmeditatives Fröschequaken. Ob das anstrengend ist? Und wie!
Anstrengend, ja, diese Band ist anstrengend. Sogar ziemlich. Man schickt es besser voraus, als Warnhinweis für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich vom überbordenden Kulturangebot der Gegenwart eh schon immer leicht gestresst fühlen.
Die Musik der jungen Londoner Gruppe Black Midi fordert uneingeschränkte Aufmerksamkeit und holt sie sich, falls man sie ihr zwischendurch entziehen sollte, mit blutiger Bullenstirn zurück. Es passiert so viel Unterschiedliches in ihren Songs, es gibt so viel Lärm, Dissonanz und auch Schmalz, rattenscharfes Gedüdel und transzendentalmeditatives Fröschequaken, dass man sich selbst die schönste Playlist mit ihnen restlos ruinieren kann. Der Schriftsteller Nick Hornby drückte es so aus, in einem New Yorker-Artikel von 2000 und über ein damals neues Radiohead-Album: „Alle, die alt genug sind, um wählen zu dürfen, brauchen ihre Zeit für andere Dinge als diese Platte – zum Beispiel, um eine Beziehung zu führen, einen Job nachzugehen, Essen einzukaufen oder einfach eine andere CD zu hören.“
Die in den späten 80ern im ländlichen Hertfordshire gegründete Band war zunächst ein eher satirisches Projekt, mit dem Wilson sich über bedröhnte Progrock-Erben lustig machte, die mit Yes-Kassetten im Walkman den Sonnenaufgang in Stonehenge begrüßten. Allerdings wurden Porcupine Tree in kürzester Zeit selbst zu Prog-Ikonen und Vertretern einer deutlich härteren Spielart, waren 2010 die Stars einer umjubelten Gala in der Londoner Royal Albert Hall, stellten dann den Betrieb ein. Jetzt ist mit „Closure/Continuation“ doch wieder ein neues Album erschienen, und es ist eine über die weitesten Strecken gloriose Rückkehr.
Mit nur sieben Songs in 48 Minuten und einem bis ins Letzte durchdachten und anspielungsreichen Design kommt „Closure/Continuation“ als Progrock-Platte der ganz alten Schule daher, und auch vom Sound her sind Wilson und seine zwei Mitmusiker deutlich näher am britischen Rasengrund der 70er-Jahre als die wild gewordenen Nachbarn von Black Midi. Dennoch erlaubt es ihnen der viel bessere kulturelle Überblick, den die Positionen der Jetztzeit bieten, praktisch alle Peinlichkeiten und eitlen Extravaganzen ihrer Vorfahren zu vermeiden.