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TAZ: „Eine richtig geile Mucke“ Ein Fan über Heavy Metal in der DDR

Heavy Metal war in der DDR Mangelware, Fans gab es viele. Zum Ausleben ihrer Leidenschaft brauchten die, weiß Ernst Lustig, handwerkliches Geschick. Mit Andreas Hartmann.

wochentaz: Herr Lustig, dass Sie Heavy-Metal-Fan sind, kann man auf den ersten Blick erkennen. Sie tragen auch während dieses Gesprächs eine Jeanskutte, die mit Aufnähern aller möglichen Metal-Bands gespickt ist. Wie fanden Sie als ehemaliger Bürger der DDR zu dieser Musik?

Ernst Lustig: Ich bin mit 12 Jahren zum Metal gekommen. Ich bin 1986 ins Ferienlager gefahren und da war ich noch Pop-Fan. Ich habe Erasure und solche Sachen gehört, die damals auch in der DDR angesagt waren. Die Gruppenleiter in dem Ferienlager waren dann der Auslöser für meine Verwandlung. An denen hatte ich das erste Mal überhaupt Metal-Kutten gesehen und die ersten Stretchjeans. Das waren Leute mit Geld, die es sich leisten konnten, ihre Devotionalien über Ungarn zu kaufen, echte Patches und echte Band-T-Shirts, die es in der DDR nicht gab. Sie hörten Musik von den Scorpions, Saxon, Iron Maiden und Motörhead, und das alles hat mich total angesprochen. Meine Eltern haben danach immer wieder auf Familienfeiern erzählt, dass sie mich nach dem Ferienlager am Bahnhof abgeholt hatten, und das Erste, was ich gesagt hatte, war: „Mutti, Vati, ich habe eine ganz tolle Neuigkeit für euch: Ich bin jetzt Heavy-Metal-Fan.“ Die wussten zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, was das bedeutete. Ich habe mir dann nach dem Ferienlager gleich meine erste Kutte gemalt. Mit tschechischen Textilmarkstiften habe ich Bandlogos auf eine hellbraune Cordweste gezeichnet.



© TAZ, Kultur, Musik, 30.6.2024

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