Musiktipps

Wie mich Udo Lindenberg aus dem Tiefschlaf in der DDR holte

An seine Musik war hinter der Mauer nicht leicht ranzukommen, aber Ilko-Sascha Kowalczuk fand immer einen Weg. Eine Liebeserklärung nach fast 50 Jahren als Fan. Von Ilko-Sascha Kowalczuk.

Ich bin Fan seit fast 50 Jahren, großgeworden hinter der Mauer mit „Andrea Doria“, „Bodo Ballermann“, „Votan Wahnwitz“, „Riki Masorati“, „Schneewittchen“, „Jonny Controlletti“, „Rudi Ratlos“, „Gerhard Gösebrecht“, „Mr. Nobody“, dem Mädchen aus Ost-Berlin, meiner Heimatstadt. Ich wollte unbedingt „Cello“ lernen, und natürlich „Nach London“, auf Udos „Reeperbahn“, „Hoch in den Norden“, „Tief in den Süden“, am besten per „Daumen in den Wind“.

Ich wollte „den ganzen Tag bei den Docks sitzen“, echte „Sympathie für den Teufel“ hegen, sehnte mich danach, „Immer noch verrückt nach all den Jahren“ zu sein. Ich freute mich auf die „Heizer“, hatte keine Angst vor den „Rockern“. Ich war dabei, wenn Udo als „Detektiv“ unterwegs war, über „Baltimore“, „New York“, den „Desperado“, das „Salty Dog“, „Die kleine Stadt“, „Norman Jean“, den „Amerikanischen Traum“ sang, „Born To Be Wild“ versprach und klagte: „Es reicht gerade noch zum Überleben“.

Ich war ein DDR-Teenager und sehnte mich danach, in einem Land zu leben, in dem diese Träume angstfrei erzählt werden dürfen: „Verdammt, wir müssen raus aus dem Dreck“. Und natürlich glaubte ich wie Udo daran, dass „Meine erste Liebe“ dann eben doch nicht platzen würde, glaubte an „Baby, wenn ich down bin“. Und als ich tatsächlich heiratete, Jahrhunderte später, sang Udo für uns: „Mit dir sogar ’n Kind“.



© Berliner Zeitung, Kultur, 10.6.23


Noch bis Ende August kann in der Rostocker Kunsthalle eine Ausstellung besucht werden, die einen schlichten Titel trägt: Udo Lindenberg. Damit ist eigentlich alles gesagt. Die Schau verspricht Einblicke in das „Udoversium“: Plattencover, Klamotten, Bühneninszenierungen, Fotos, Texte und nicht zuletzt Zeichnungen, Malereien und seine berühmten Likörelle – aus Alkohol angefertigte Aquarelle.

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