Ewiger Konzeptkünstler: Der britische Elektronikproduzent Matthew Herbert hat sich für sein aktuelles Album „The Horse“ von Pferden inspirieren lassen. Von Jana Sotzko.
Als der italienische Maler Luigi Russolo vor mehr als 100 Jahren sein Manifest „Die Kunst der Geräusche“ veröffentlichte und in lärmenden Konzerten mit selbstgebauten Instrumenten umsetzte, waren weder Publikum noch Kritiker von seinem Ansatz überzeugt. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges, so glaubte der Futurist, müssten die alltäglichen Klänge von Fahrzeugen, Maschinen, Menschen und gar Kriegsgeräten zu Kunst werden und die althergebrachte harmonische Musik ablösen.
Es sollte noch einige Jahre dauern, bis Russolos Ästhetik des Geräuschs und die Begeisterung für neue Technologien Komponisten der Avantgarde beeinflussen würden.
Als Spurenelement ist Russolos radikale Geräuschhaftigkeit auch in den Alben des englischen Produzenten und Komponisten Matthew Herbert hörbar. Seine Anfänge im britischen House der 1990er Jahre immer mehr hinter sich lassend, wurde zum Markenzeichen Herberts die musikalische Collage selbst aufgenommener und bearbeiteter Geräusche.
Und – eine weitere Verbindung – auch vom 51-jährigen britischen Künstler gibt es ein Manifest, in dem er die Nutzung bereits vorhandener Musik und vorprogrammierter Sounds ablehnt und damit der im Pop ubiquitären Kulturtechnik des Samplings eine Absage erteilt.
© TAZ, Kultur, 3.5.2023