Musiktipps

Louis Sclavis „Les Cadences du Monde“: Von der Macht des Melos

Von Hans-Jürgen Linke. Schon die Besetzung des Quartetts deutet darauf hin, dass es sich hier nicht um eine vertraute Form von zeitgenössischem Jazz handelt, es gibt kein Drumset, kein Bass, kein Saxofon, kein Klavier weit und breit.

Außer dem Klarinettisten Louis Sclavis gibt es eine Cellistin (Annabelle Luis) aus dem Segment der Barockmusik, einen Jazz-Cellisten (Bruno Ducret) sowie einen Perkussionisten (Keyvan Chémirani), der Zarb und Daf, also Bechertrommel und Schellentrommel, überaus akzentuiert und klangwirksam spielt. Kein Drumset, kein Bass, kein Saxofon, kein Klavier weit und breit.

Bandleader Louis Sclavis hat sich für seine Musik von Bildender Kunst inspirieren lassen – nicht zum ersten Mal übrigens: für das herausragend intensive „Napolis Walls“ lieferten vor zwei Jahrzehnten die Wandzeichnungen von Ernest Pignon-Ernest Anlässe. Diesmal sind es Fotografien und thematisch ausgearbeitete Text-und-Foto-Bücher des belgisch-französischen Fotokünstlers Fréréric Lecloux. Sie stellen das Material und die Reflexionsweisen der Welt, die das Album „Les Cadences du Monde“ zum Klingen bringt, zur Verfügung.



Das Quartett folgt einem sorgsam ausgearbeiteten und sensibel abgestimmten Konzept von Kammermusik. Dessen improvisatorischer Impetus führt immer wieder zu vitalen Auflösungstendenzen festgefügter Formen. Trotzdem bleiben alle vier nahe beieinander. Und vielleicht ist das die Botschaft dieser Musik, die den Takt, das Tempo und die Schlagzahl der Welt zum Thema macht: dass es am besten ist, wenn man vielstimmig beieinander bleibt.




© Frankfurter Rundschau, Kultur, 19.3.2023

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