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Vielfältig und mit politischem Bewusstsein: Auf dem gut besuchten Moers Festival kann man sehen und hören, was Jazz 2016 bedeutet.
Es ist ein Fest der Erotik, wie Brandon Ross seine Gitarre streichelt und kratzt, wie J. T. Lewis sein Schlagzeug vibrieren lässt, wie Melvin Gibbs seinen Bass umschlingt und Cassandra Wilson ins Mikrofon haucht, als sei es die Ohrmuschel einer geliebten Person. Guter Jazz: Das ist auch die Symbiose mit dem Instrument, die Sprache der Körper, das ist vor allem: Spannung und Entspannung.
Die erotische Beziehung zum Instrument dabei zugleich ambivalent zu halten, das beherrschen nur wenige so gut wie das US-Quartett Black Sun, eine Kooperation des Harriet Tubman Trios und der Sängerin Wilson, die am Samstagabend des Moers Jazz Festivals spielen. Ambivalent, weil die Musiker gekonnt Ästhetisches mit Politischem verschalten. Denn das Trio – benannt nach der Fluchthelferin, die Sklaven während des Sezessionskriegs bei der Flucht aus den Südstaaten in den Norden half – widmet sich der Aufarbeitung afroamerikanischer Geschichte. Ross, der gelegentlich zum Banjo griff, betonte etwa, dass das für weißen Country bekannte Instrument ursprünglich aus Afrika stammt….
© TAZ, 19.5.2016, Phillip Rhensius