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Release Tipp: Okkyung Lee – „Na-Reul“ (Black Cross Solo Sessions 3) / Corbett vs. Dempsey

Selten habe ich etwas so persönliches gelesen: Was Okkyung Lee über Ihre Zeit in der Pandemie geschrieben hat, ist bewegend. Ohne Ihr geliebtes Cello und in Südkorea im Lockdown. Was passiert mit einer Künstlerin ohne ihr Instrument?

Nachdem ich Okkyung Lee’s Text und Musik mehrmals gelesen und gehört habe, habe ich mich entschlossen diesen Text komplett zu veröffentlichen. Obwohl diese Veröffentlichung seit ein paar Tagen erhältlich sein sollte, ist sie es nicht. Und so komme ich zu einem zweiten, ungewöhnlichen Schritt. Es gibt hier Links zu Sendungen, in denen Stücke aus der neuen Veröffentlichung gespielt wurden. Sobald diese erhältlich ist, werde ich diesen Beitrag aktualisieren.



Das Jahr 2020 war furchtbar.
Ich persönlich habe einige schwere Verluste erlitten, während ich mich durch die Pandemie in zwei verschiedenen Ländern und Kulturen aufhielt. Wahrscheinlich ist der einzige Vorteil, wenn man solche traumatischen Erfahrungen macht, dass es einen dazu zwingt alles neu zu bewerten. Das Ergebnis kann bitter sein, aber ermutigt einen dazu, aus der Blase herauszutreten und Entscheidungen zu treffen. Noch bevor die Pandemie die Welt eroberte, war ich in einem Tief, extrem ausgebrannt, und fühlte mich die meiste Zeit über zynisch.

In Anbetracht des Klimas, in dem wir uns in den letzten Jahren befunden haben, war das vielleicht nicht allzu überraschend, aber als ich den Funken der Freude am Musizieren nicht mehr finden konnte, nicht einmal für einen kurzen Moment und das über einen längeren Zeitraum, fing es an, mich aufzufressen. Für die meiste Zeit dieses Jahres war ich in Korea ohne mein Cello, was anfangs beunruhigend war, aber bald hatte ich mich daran gewöhnt, so wie ich mich daran gewöhnt hatte, die ganze Zeit drinnen zu bleiben die ganze Zeit betäubt zu sein.

Selbst als ich nach sechs Monaten nach New York zurückkehrte,
kehrte meine Verbindung zum Instrument oder mein Wunsch, Musik zu machen, nicht zurück und ich rührte das Cello für weitere zwei Monate nicht an.




Auch, als ich endlich in meiner winzigen Wohnung in Brooklyn einen Platz für mich allein hatte, versank ich in eine Depression. Ende Oktober, als ich gerade dabei war, eine dringend notwendige emotionale Verarbeitung zu durchlaufen, erhielt ich die Einladung dieses Album zu machen, was sich wie eine perfekte Gelegenheit anhörte, mich von diesem Jahr und einem gewissen Teil meiner Vergangenheit zu verabschieden. Zu meiner Überraschung kamen schnell kristallklare musikalische Ideen zusammen, und was noch wichtiger war, der Funke kehrte zurück. Ich hatte wieder etwas durch Musik zu sagen. Auch wenn ich im Studio mit meinem Instrument kämpfte, war die Verbindung immer noch da. Es klang nach mir.

Während Sie vielleicht ähnliche Ideen aus meinen früheren Arbeiten in diesem Album hören können, finde ich diese Stücke roher und direkter, vor allem weil ich das gesamte musikalische Material selbst aufgeführt und weniger gefiltert habe. Nicht dass ich diese Methode mit der Arbeit mit anderen Musikern vergleiche, aber das schien mir der einzige Weg zu sein, diese speziellen Stücke richtig umzusetzen, direkt aus den Emotionen heraus, die ich in diesem Jahr selbst durchlebt habe. Die Zukunft sieht vielleicht noch nicht so rosig aus, aber ich fühle mich über den Berg, zumindest gefühlsmäßig. © Okkyung Lee



Es erscheint in den nächsten Tagen auf dem Chicagoer Label und der Galerie Corbett vs. Dempsey als Teil einer Serie, die unter anderem Joe McPhee und Ken Vandermark umfasst. Mehr Informationen über diese interessante Serie.

2 Gedanken zu „Release Tipp: Okkyung Lee – „Na-Reul“ (Black Cross Solo Sessions 3) / Corbett vs. Dempsey

  • Ich habe mich schon öfter gefragt, was eine Musikerin mit solch einem Gesichtsausdruck empfindet – und das oben Geschriebene passt ziemlich perfekt dazu!

    Was für ein Glück, Musik als Ausdrucksfeld für diese extremen Gefühle zu haben… ich kenne keine andere Kunstform, die dazu in dieser direkten Weise fähig ist.

    Antwort
  • portfuzzle

    Da hast du vollkommen recht.

    Antwort

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