EPDFilm: Kommunale Kinos – Kampf dem Kommerz

Wie funktioniert kulturelle Filmarbeit? Zum Start des Dokumentarfilms »Komm mit mir in das Cinema« über Erika und Ulrich Gregor, die Pioniere vom Berliner »Arsenal«, umreißt Silvia Hallensleben die Geschichte der kommunalen Kinos und spricht mit der Szene-Kennerin Cornelia Klauß.

Lange Zeit fokussierte sich der Gründungsmythos der Kommunalen Kinos in Deutschland auf das Jahr 1970 und das »Kommunale Kino Frankfurt«. Doch das ist nur mit formalistischer Fixierung auf das große »K« richtig, das ja städtisch finanziert bedeutet. In Wirklichkeit geht die Geschichte städtisch betriebener Kinos zurück bis in die Frühzeit des Films, als Vertreter des Bildungsbürgertums in Sorge über den Siegeszug der neuen kommerziellen Lustbarkeiten in deutschen Städten gerieten. Diese bedrohte die Vorstellung von Sitte und Zucht. Zudem war das frühe Kino von französischen Produktionsfirmen dominiert. Zum Zweck moralischer Rettung des (kindlichen bis erwachsenen) Publikums ersann und realisierte die frühe Gemeindekinobewegung verschiedene Möglichkeiten steuernder Einfluss­nahme, von der Zensur bis zur Einrichtung »kinematographischer Musterlichtspielbühnen« in unterschiedlichster Konstellation. Dabei wurde neben nationaler und sittlicher Erbauung auch die Trennung filmischer Kultur vom Verwertungsstreben propagiert. 

Erstes deutsches »Gemeindelichtspielhaus« in kommunaler Trägerschaft war eine am 1. Dezember 1912 in einem eigens von der Stadt Eickel gekauften Saal am Markt eingerichtete Spielstätte. Vorführer war ein städtischer Elektriker, an der Kasse saß eine Schreibkraft aus dem Gemeindebüro. Zur Eröffnung gab es den von Oskar Messter produzierten Henny-Porten-Film »Mütter, verzaget nicht« (Regie: Adolf Gärtner), der ein fiktives Familiendrama als Anlass zur Präsentation von Einrichtungen der Berliner Familienfürsorge nimmt und als erster langer deutscher Dokumentarfilm gilt. Eickel blieb nicht allein, weitere Kinoinitiativen und Kinos entstanden im Ruhrrevier und in Städten von Altona bis Wiesbaden, besonders erfolgreich und modellbildend dabei das »Urania« in Stettin. Etwas widersprüchlich sind bisher Angaben über die weitere Entwicklung und den Niedergang dieser Initiativen in den 1910er und 1920er-Jahren, bevor Weltwirtschaftskrise und NS-Regime dem kommunalen Eigenleben ein Ende setzten.




© EPDFilm, Thema, 9/2022

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