Musiktipps

SZ Jazzkolumne mit Binker Golding, Steve Noble, John Edwards, Evan Parker, Joe McPhee von Andrian Kreye

Es gibt kaum eine Kunstform, in der es so wenige Regeln und Konventionen gibt wie beim Free Jazz. Was das Album Together Alone“ (Schoener Hören) der Gruppe Spaces aus Hannover so interessant macht, weil die vier es schaffen, doch noch welche zu schleifen. Die Idee war eine der vielen, die aus der Not der Pandemie heraus entstanden, und die hoffentlich bald wieder aus der Zeit fallen.


Der Londoner Saxofonist Binker Golding hat beispielsweise gerade das Album „Moon Day“ (Byrd Out) mit dem Schlagzeuger Steve Noble und dem Bassisten John Edwards aufgenommen, beide zwanzig Jahre älter und Veteranen aus dem Umfeld des britischen Free-Jazz-Titanen Evan Parker. Was die drei über die gute Stunde hinweg finden, zeigt, warum die absolute Freiheit wieder so verlockend ist. Man kann hier drei wirklich großen Musikern beim Denken zuhören. Nicht beim Nachdenken, sondern bei diesem intuitiven Fluss, den nur wenige Musiker erzeugen können.


Veteranen und Titanen spielen überhaupt eine große Rolle bei der Neuentdeckung der freien Improvisation. Evan Parker ist einer der Helden. Die Natural Information Society aus Chicago hat ihn für ihr neues Album „descension (Out of Our Constrictions)“ (Eremite) ins Studio geholt. Evans ist vor allem dafür bekannt, mit Zirkularatmung endlose Tonschleifen zu konstruieren, die den Sog seiner Musik physisch spürbar machen. Das passt perfekt zu ihrem „ecstatic minimalism“, einer Bereitschaft, Motive bis zur Trance auszudehnen.



Ein anderer omnipräsenter Held ist der Saxofonist und Trompeter Joe McPhee. Mit dem Saxofonisten Michael Marcus hat McPhee aber das Blue Reality Quartet gegründet. Das spielt über den silbrigen Vibrafon- und Perkussionsteppichen von Jay Rosen und Warren Smith eine Musik, die sehr viel gelassener in sich ruht. Das selbstbetitelte Album kommt im Juli (Mahakala), aber schon die Vorab-Single „Love Exists Everywhere“ lässt ahnen, dass freie Improvisation immer noch neue Wege findet, und die gar nicht so fordernd sind wie in den Sturm-und-Drang-Sechzigerjahren.



© Süddeutsche Zeitung, Kultur, Musik, 14.6.2021

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