Nachruf auf Richard H. Kirk: „Den Geräuschen den Zufall austreiben“ Von Joachim Hentschel

Richard H. Kirk nahm mit „Cabaret Voltaire“ den Lärm der Stahlindustrie, das Blabla der Medien, das Fiepen der Laborgeräte und striegelte es, bis alles einen Sinn ergab. Zum Tod des Soundforschers.

Am Anfang war der Sound. Und der Sound war einfach nur so da und suchte dringend jemandem, der etwas aus ihm formen könnte, zum Beispiel Musik. Im Grunde war das die Mission, die der 17-jährige Schüler Richard Harold Kirk verfolgte, als er sich Ende 1973 mit den Geistesbrüdern Chris Watson und Stephen Mallinder zusammentat, die er von den Straßen seiner Heimat Sheffield kannte. Es ging darum, den Geräuschen den Zufall auszutreiben.

Den Lärm der örtlichen Stahlindustrie, das Blabla der Medien, das Fiepen und Brummen elektronischer Laborgeräte so lange zu striegeln, zu zerstückeln und neu auszuleuchten, bis es in ihren Augen einen Sinn ergab. Nicht als Galeriekunst. Eher als immersives Erlebnis, als Gegenprogramm zu allem, was sich Anfang der 70er Entertainment nannte. Das Wort Punk gab es noch nicht, aber darauf hätte es gepasst.

Es sei die reine Langeweile gewesen, die ihn zum Musikmachen brachte, sagte Richard H. Kirk später. Er selbst habe den intelligenten Glamrock von David Bowie und Roxy Music geliebt, zudem die Klangexperimente deutscher Bands wie Can und Kraftwerk, und diese zwei Eckpunkte loten den Kosmos seines Schaffens anschaulich aus. Cabaret Voltaire, die nach dem Züricher Dada-Lokal benannte Gruppe von Kirk, Watson und Mallinder, fand die perfekte Mitte zwischen Narrativ und Rausch, Song und Geräusch, Körperlich- und Maschinenhaftigkeit.



© Süddeutsche Zeitung, Kultur, Musik, 22.9.2021

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