Popmusik stirbt die schönsten Tode, gibt aber auch Hoffnung – es gilt: Verzweiflung hat noch nie geholfen. Wer planlos ist, gilt als Idiot, wer kein Ziel hat, dem ermangelt es an Ehrgeiz, wer nicht weiß, was morgen zu tun ist, muss ein Tagedieb sein.
In der getakteten Zivilisation gilt all das als verwerflich. Man hat zu wissen, was zu tun ist, muss das Ziel kennen und einen Plan haben, wie es zu erreichen ist. Stundenplan, Stadtplan, Lageplan – immer alles planmäßig abliefern! Der Zufall ist diesem System ein Grauen, das Ungewisse der Albtraum einer auf messbare Leistungen ausgerichteten Gesellschaft.
Es ist an der Kunst, da querzuschießen, das Unbekannte zu feiern, seine Reize zu loben, der Ungewissheit der Stirn zu bieten. Das ist schwierig, denn dem Unbekannten nähert sich der Mensch mit Skepsis. Das hat uns die Evolution eingeschrieben: Frisst mich das Ding dort auf der Wiese oder kann ich es melken? Derlei Bedenken haben dank Greißler und Supermarkt theoretisch ausgedient, Neophobie und Skepsis halten sich aber trotz abgepackter Milch und fremderlegten Fleischs.
© DerStandard, 24.9.2022